Dienstag, 29. Januar 2013

Simeons Traum

Ein alter Mann hofft noch immer auf die Erfüllung seines Lebenstraumes - der greise Simeon, von dem Lukas in seinem Evangelium erzählt.
"Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden, denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast."

Menschen haben Träume. Es gibt keinen Grund, das schlecht zu machen, auch wenn mancher dieser Träume recht seltsam erscheint. Träume bringen uns in Bewegung, sie zeigen uns Ziele, nach denen wir streben, sie sind Ausdruck von Lebendigkeit.
Sehr unterschiedlich sind solche Träume, manchmal nur von begrenztem Wert, manchmal eben auch echte Lebensträume. Was ersehne ich für mein Leben? Was erhoffe ich?
Simeon hat einen Traum, dem sich alles andere unterordnet: Er möchte den sehen, der von Gott kommt, um die Herzen der Menschen des Gottesvolkes wieder dem Herrn zuzuwenden. Er möchte mit eigenen Augen sehen, dass Gott seine Verheißung wahr macht. Er möchte erfahren, dass seine Hoffnung nicht umsonst war.

Lässt sich seine Sehnsucht für uns nachvollziehen? Wenn einer noch von einer Weltreise träumt, dann können wir das vielleicht verstehen, oder von einem Lottogewinn oder der großen Liebe, aber vom Kommen eines göttlichen Gesandten, der das Reich Gottes aufrichtet?
Vielleicht geht es bei Simeon ja um die große Liebe. Es gibt im Umfeld der Nachkriegszeit so manche Geschichte, in der Eltern Jahr um Jahr auf ihren vermissten Sohn warten, mit brennenden Herzen, mit einer nie versiegenden Hoffnung. Aber wir brauchen gar nicht so weit zurück zu gehen. Mit wie viel an Angst und Sehnsucht haben wohl die Familien der Soldaten im Irak oder in Afghanistan auf die Heimkehr der Ihren gewartet oder warten noch? Welche Gefühle bestimmen die Familien, deren Väter als Wanderarbeiter in Südamerika oder Asien monatelang unterwegs sind oder weit entfernt arbeiten und jahrelang nicht heimkehren? Simeons große Liebe ist Gott - und das, was dieser mit der Welt und den Menschen vorhat.
Wenn wir die Sache mit dem Reich Gottes noch ein wenig konkretisieren, dann wird sie auch für uns vielleicht greifbar. Simeon sehnt sich nach dem großen Frieden in einer Welt brutaler Gewalt, in der die Kreuze der römischen Besatzer die Straßen säumten. Er hofft auf eine Welt, in der die Tennung der Menschen in reich und arm überwunden ist. Er wünscht sich eine Welt, in der Gerechtigkeit herrscht und Menschen sicher und in lebendiger Gemeinschaft leben können. Und er ist zutiefst überzeugt, dass Gott diese neue Welt schaffen wird.

So gesehen können wir uns vielleicht doch ein wenig in seinem Traum wiederfinden. Das setzt allerdings voraus, dass wir uns nicht mit unserem persönlichen Wohlergehen zufrieden geben. Simeon ist in seiner Sehnsucht über sich hinaus, er ist ausgerichtet auf Gott. Deshalb kann er die Leiden seines Volkes nicht einfach ignorieren. Deshalb kann er sich nicht über die Not anderer Menschen hinwegsetzen. Deshalb sind seine Augen geöffnet für die Wirklichkeit, die viele Menschen zu einem Leben im Dunkeln verurteilt.
Im Grunde genommen geht es uns nicht anders, wenn wir zum Glauben an Gottes bedingungslose Liebe kommen. Gott bringt die wertvollste Saite in uns zum Klingen, unsere Fähigkeit zu lieben. Die Liebe ist die Grundhaltung, die uns öffnet für das, was andere Menschen und Lebewesen brauchen. Sie hilft uns, Leiden zu verstehen und menschliche Bedürfnisse anzuerkennen. Es könnte Wunderbares geschehen, würden wir diese Fähigkeit nicht begrenzen lassen durch unsere Ängste, vor allem die Angst, zu kurz zu kommen und nicht genug vom Leben zu haben, aber auch durch unsere Vorurteile gegenüber anderen Menschen oder unsere Habgier.
Wir sind am Bennpunkt des Lebens, am Knackpunkt für ein gelingendes Menschsein, wenn Christus in uns ankommt. Es ist der Augenblick der Gnade, der Simeon jubeln lässt. Der Herr ist angekommen, das Licht wächst gegen das Dunkel von Gewalt und Ausbeutung, von Unrecht und Unterdrückung, von Krankheit und Tod, von Sinnlosigkeit und Gier.

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